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Klettern auf Koh Yao Noi, Thailand: Auf Tuchfühlung mit Stalaktiten

Gymnastik und Sauna im Tropenwald

Warm und rund liegt der Stalaktit in meinen Armen und dick wie der Rüssel eines Mammuts. Die Gegend zeigt sich unscharf durch eine gräuliche Fadengardine. Es regnet in Strömen. Mein Blick gleitet runter zu den Baumkronen des Dschungels und weiter hinab zur Bucht des Paradise Resorts. Wolkenfetzen hangen der Küste entlang in den Bäumen. Am Horizont sehe ich einen Blitz aufleuchten. Von dort sind wir gestern Abend mit einem ohrenbetäubend knatternden Longtailboot hergefahren. Ein verwitterter Seenomade hat uns in eineinhalb Stunden sicher durch die unruhige See und durch die vielen unbewohnten und überwucherten Inselchen von der Railay Beach hier nach Koh Yao Noi hergeschippert.

View from the Mitt

Mir läuft Schweiss in die Augen. Ich versuche ihn mit dem Ärmel meines Shirts wegzuwischen, aber dieses ist vollkommen durchnässt, vom Schweiss nicht vom Regen. Ein paar Mücken tanzen um meine Nase und nerven mich, da höre ich auf einmal eine Stimme aus dem Unterholz. Es ist mein Mann. „Allez“, ruft er, „klettere mal weiter!“ Ich seufze und wundere mich wie ich überhaupt hier raus an diesen freihängenden Stalaktiten gekommen bin. Irgendwie habe ich ein Spreizmanöver durchgeführt und mich dann an das kalkige Ungetüm rausfallen lassen. Und jetzt steh ich hier draussen, auf zwei schmierigen Tritten diesen Riesenrüssel umarmend. „Ich weiss aber nicht wie weiter“, rufe ich in die Tiefe. „Wie komme ich bloss wieder zurück an die Wand“. „Du musst den Stalaktit hoch“, antwortet mein Mann. Ich suche also nach Griffen und werde fündig. Während meine Augen nach weiteren Tritten suchen, fällt mein Blick in die Tiefe ins nichts. Mein Mann ist nur noch ein kleiner  Fleck irgendwo dort unten unter dichtem Laub und Palmwedel.

The Mitt

The Mitt

Ungefähr so spielt es sich seit fünf Jahren jedes Jahr im November ab. The Mitt ist einer der spektakulärsten Sportkletter-Sektoren, den ich kenne. Er bietet sensationelle 3D-Kletterei. Die Wand ist so stark überhängend, dass man während eines Wolkenbruchs von Regen komplett verschont bleibt. Die Routen ziehen durch ein System aus gigantischen Stalaktiten und so kann man sich zwischendurch immer mal wieder gut ausruhen, indem man sich beispielsweise zwischen die Wand und einen Stalaktiten einklemmt. Die Grösse der Stalaktiten sind sehr beeindruckend. Endorphin-Ausschüttungen sind jedenfalls garantiert.

The Mitt2

Der Fels ist kreideweiss und wie übrigens auf ganz Koh Yao Noi von bester Qualität. Er hält sich gut in der Hand, würde man wegen der tropischen Hitze nicht so schwitzen. Die Hangelei an der Mitt findet an löchrigen, eher abgerundeten Henkeln statt, erst oben im Ausstieg aus dem Überhang auf den letzten Metern werden die Griffe scharf.

The Mitt 3Muss man klettern:

Greybox, 6a+ (40m)

The Highway, 6b (35m)

White Bird, 6b+ (35m)

Daddy Long Legs, 6b (30m)

Die Sonne kommt an der Mitt im November ungefähr um 12:00 Uhr in die Wand. Man muss also früh aufstehen für diesen Sektor.

 

Überlebens-Tipps für Tropenkletter-Novizen

Hitze

Klettern in Thailand in der Sonne ist ein No-Go. Ausserdem muss man tierisch aufpassen, dass man nicht dehydriert. Das ist uns einmal passiert und wir waren für einen ganzen Tag ausser Betrieb gesetzt. Man schwitzt bei der geringsten Anstrengung wie in einer Sauna. Mein Tipp ist es, ein Frottiertuch mitbringen und isotonisches Pulver ins Wasser geben und natürlich viel trinken, man hat gleich viel mehr Energie. Ausserdem sollte man sich nicht übernehmen, seine Leistungen nicht mit denen in kälteren oder trockneren Gefilden vergleichen. Wer sich für diese Gymnastikart im Tropenwald vorbereiten möchte, geht vor der Thailandreise am besten möglichst viel in stark überhängendem Gelände trainieren.

Kuhtransport

Tiere

Unbedingt sollte auch Mückenschutz mit. Im Dschungel sind diese Biester nämlich auch tagsüber super aktiv. Aus direkter fachlicher Quelle weiss ich, das Dengue-Fieber in Asien stark im Vormarsch ist, Mückenstiche sind daher möglichst zu vermeiden.

Zudem gibt es in Thailand ein paar sehr giftige Schlagen. Träum also nicht herum und schau wo du hintrittst. Gerade an der Mitt muss man beim Ablassen/Abseilen, das unvermeintlich durch die Baumkronen geht, die Augen offenhalten wegen den grünen Baumschlangen. Zur Beruhigung kann ich aber sagen, dass ich dort im Dschungel noch nie eine Schlange gesehen habe. Diese habe ich immer nur in der Hotelanlage angetroffen.

Auf dem Zustiegen in diesem Waldstück sieht man öfters Varane von einenhalb bis drei Metern Länge, die sind aber extrem schreckhaft und rennen immer weg, wenn man ihnen zu nahe kommt.

Wenn sich ein Griff angenehm weich anfühlt, ist es eine Eidechse. Das ist mir zweimal passiert, dass ich in so einen gegriffen habe. Für mich war der Griff sehr angenehm, aber die Echsen wirkten ziemlich verstört.

 

Big Tree Wall

Big Tree Wall 6

Wenn man an der Big Tree Wall klettern will, sollte man etwas ausschlafen oder vorher an der Mitt schon mal ein wenig aufwärmen, weil sie im November erst etwa um 11:00 Uhr aus der Sonne kommt. Die Big Tree Wall ist ein fantastischer Sektor mit 3-4-Seillängen-Routen. Man kann hier natürlich auch nur die unterste Seillänge klettern, verpasst aber dann das Beste dort.

Big Tree Wall

An der Big Tree Wall trifft man supergeniale abwechslungsreiche Kletterei an perfektem Fels. Die erste Seillänge überwindet man mittels grossen Löchern. In den oberen Seillängen geht’s dann so richtig wunderschön überhängend ab an Drachenrücken und Sintersäulen.

Big Tree Wall 3Unbedingt klettern:

Sea Hippies, 6a+/6b+/6b

Gipsy Dance, 6b+/ 6b+/6b

Big Tree Wall 7

Wenn man noch etwas weiter geht bei der Big Tree Wall findet man noch weitere Routen an den Sektoren Ramp und Zoo.

 

Wo liegt Koh Yao Noi und wo wird dort geklettert?

Die Insel (Koh) Yao Noi befindet sich in der Phang Nga Bay zwischen Phuket und Krabi in Südthailand. Geklettert wird im nordöstlichen Teil der Insel. In dieser Ecke gibt es ausser Felsen und Dschungel nur das wunderschöne Resort The Paradise. Lies dazu meinen Beitrag: The Paradise Koh Yao Noi Boutique Resort & Spa – Naturperle hinter himmelblauer Kitschfassade.

Overview mit Beschriftung

Dieses Resort kann ich sehr empfehlen. Gerade als Kletterer ist es fantastisch hier zu wohnen, man ist zu Fuss relativ rasch am Fels und auch wieder zurück in der Hängematte unter schattenspendenden Palmen. Wer sich das aber nicht leisten will oder kann, der findet preiswertere Unterkünfte im Dorf.

Dieser Beitrag ist nicht gesponsert.

Kletterkarte

Insulaner

Auf Koh Yao Noi leben etwa 3500 Menschen. Der grösste Teil ist muslimisch, daher ist es angezeigt, wenn man sich nicht am Strand oder an der Kletterwand aufhält, sich entsprechend zu kleiden. Der Oberkörper inklusive Schultern sollten auf jeden Fall bedeckt sein. Ob kurze Hosen ok sind, weiss ich nicht, ich trage eh immer lange Hosen. Hotpants sind sicher nicht adäquat.

Die Bevölkerung lebt zu einem grossen Teil vom Fischfang und von der Kautschuk-Gewinnung. Tourismus ist noch eher neu und klein und das wird wohl auch so bleiben. Viele Inselbewohner sprechen wenig bis kein Englisch. Es ist nicht gerade die Partyinsel. Man bekommt an vielen Orten gar kein Alkohol. Ausserdem verschwindet das Meer bei Ebbe alle zwölf Stunden so, dass man oft nicht baden kann, was es für Badetouristen nicht gerade attraktiv macht.

Zufahrt vom Dorf

Karte9Wenn man also im Dorf wohnt und klettern gehen will, muss man entweder mit dem Longtailboot oder mit einem Roller in ungefähr 30-40 Minuten auf teilweise lehmiger und steiler Strasse herfahren. Parken auf dem Personalparkplatz des Resorts und auch Betreten des Resorts ist seit November 2015 nicht mehr erlaubt. Etwa 200 Meter vor dem Resort geht ein Weg durch den Dschungel ab, den man nehmen muss. Der Zustieg hat sich dadurch etwa um 20 Minuten verlängert. Das ist ärgerlich, aber ich kann mir schon vorstellen, was zu dieser Situation beigetragen hat. Ich habe doch ab und zu Kletterer, die nicht Gäste des Resorts waren, im Pool des Resorts baden sehen oder auf Liegestühlen herumsitzen. Das ist beim Management wahrscheinlich nicht so gut angekommen.

Ich bin diesen Zustieg von der Strasse nie gegangen, weil ich ja immer im Paradise wohne, aber ich kann mir vorstellen, dass der irgendwann in den Weg mündet, welcher zur Dump und Bee Wall geht. An der Dump Wall habe ich nur einmal eine Route geklettert, aber nie am Ao Po Noi Tower dort noch ums Eck, daher kann ich darüber nichts sagen.

Dschungel

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Bee Wall

Die Bee Wall heisst so, weil es dort tatsächlich gelegentlich Bienen hat. Man muss also schauen, in welcher Route sie sich niedergelassen haben. Wir mussten bis jetzt nur einmal aus der Wand flüchten.

The Bee Wall

Die Bee Wall ist eine fantastisch versinterte Kalkwand mit abwechslungsreicher Henkel- und Loch-Kletterei. Die Wand ist unten senkrecht und wird dann oben leicht überhängend. Die leichteren Routen gehen nicht durch den steilen Teil. Auch hier kommt die Sonne nach dem Mittag in die Wand.

Unbedingt klettern muss man die zwei ausdauernden Henkel- und Lochrouten im linken Wandteil:

Screaming Pelican, 6c+

Golden Flakes, 6b+

Und im rechten Wandteil darf man die Königslinie Honey Bee 6a+/7a+ nicht verpassen, die oben genial überhängend an Löchern und versinterten Passagen in einen giftigen Ausstieg mündet.

Noch mehr rechts von der Bee Wall ist die Breakfast Wall. Auch an dieser Wand haben wir nie geklettert, die sieht nicht so lohnend aus. Ausserdem gibt es andere Kletterperlen auf Koh Yao Noi, die man nicht verpassen darf. Aber zuerst ein paar Worte zur Erschliessung.

 

Wer hat’s gefunden?

Als das Ausmass an Touristen an der Tonsai/Railay Beach unerträgliche wurde, suchte der US-Amerikaner und Kletterer Mark Miner nach einem ruhigeren Ort mit neuen Felsen und fand die beschauliche Insel Yao Noi. Jahr für Jahr ist er auf die Insel gekommen und hat zusammen mit andern Linie für Linie eröffnet. Vor ein paar Jahren haben dann Mark und seine Freunde die Hacken fast ausnahmslos durch ‘erosionsfreie’ Titaniumklebhacken ersetzt (siehe auch Thaitanium Project). Die Routen auf Koh Yao Noi sind top eingerichtet und weisen wenig lose Felsen auf.

Big Tree Wall 4

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HD Wall

Auch wenn die Felsstruktur auf Koh Yao Noi sehr solide ist, kann natürlich trotzdem mal etwas ausbrechen. Gerade im linken Teil der HD Wall gibt es ein paar brüchige Stellen. Ansonsten ist die Qualität dieser Wand aber super. Dort findet man überhängende Henkelrouten an orangenem Fels.

HD Wall

Die grosse Herausforderung an der HD Wall ist die Hitze, dort ist es am Schlimmsten. In der Hochsaison November bis April ist die Wand bis nachmittags um etwa 15:00 Uhr in der Sonne, aber auch danach ist sie immer noch lange aufgeheizt. Das ist ein bisschen problematisch, weil es in Thailand um 18:00 Uhr schon wieder dunkel wird. An der HD Wall ist es jedenfalls wie in einem Backofen, also noch schlimmer als in einer Sauna und man läuft leicht Gefahr zu überhitzen. Nur während der Tiefsaison soll die Wand die meiste Zeit im Schatten sein, übrigens auch die Mitt und die Bee Wall.

Big Tree Wall 2

Wir sind immer im November auf Koh Yao Noi, daher gehen wir selten an die HD Wall, klettern manchmal auf dem Rückweg von der Big Tree Wall noch ein bisschen dort. Es gibt im rechten Wandteil zwei geniale Jungle-Gym-Routen von denen man schön aufgeblasene Popeye-Unterarme kriegt. Herrlich, ich liebe sie!

Paradise Waits, 6b+

Don’t Tell My Mom, 6b

 

Und nun muss ich leider noch auf ein trauriges Thema zu sprechen kommen.

Grateful Wall

Gratefull Wall

Die Grateful Wall ist, beziehungsweise war eines der besten Wändlein im 6er-Grad in ganz Asien bis es nun vom neuen Park Chef gesperrt wurde. Die Grateful Wall war nur übers Meer zugänglich. Man musste entweder ein Longtailboots-Fahrer engagieren oder wenn man im Paradise wohnte, konnte man auch in etwa 30 Minuten mit dem Kajak hinpaddeln.

Gratefull Wall 2

An der Gratefull Wall traf man 35 Meter lange Hammerrouten in buntem Fels mit Löchern, Pilzen, Schwämmen, Henkeln und versinterten Passagen und einzelnen Tufas an. Falls sie wieder mal aufgeht, müsst ihr unbedingt folgende Routen klettern:

Slipknot, 6a

Franklin’s Tower, 6a+

Candyman, 6b

New Speedway Boogie, 6c+

Gratefullwall5

Es ist echt eine Tragödie, dass man dort nicht mehr klettern darf. Vielleicht und das hofft wohl die ganze Koh Yao Noi Kletter-Community, dass Park Chef Worapot eines Tages seine Meinung ändert und das Verbot wieder aufhebt. Eigentlich hat Herr Worapot das Klettern in ganz Koh Yao Noi und auch auf Koh Phi Phi verboten, aber wie ich in Erfahrung bringen konnte, ist es auf Koh Yao Noi nur ein Problem mit der Grateful Wall. Wie die Situation in Koh Phi Phi ist, weiss ich nicht.

Wie ich den Artikel in der Phuket Gazette verstanden habe, wendet sich das Verbot eher an die Kletterführer mit Gästen, als an individuelle selbständige Klettertouristen. Jedenfalls hat Herr Worapot gesagt, dass er nicht gegen Touristen vorgehen werde. Anscheinend ist das Problem, dass nicht geregelt ist, wer Kletterführer sein darf und das seiner Meinung nach Klettern einfach zu gefährlich sei.

Gratefull Wall 4

Wer aktuelle Infos zu den Sperrungen oder überhaupt zum Klettern auf Koh Yao Noi möchte, wendet sich am besten direkt an Mark und seine Frau Heather Miner. Bei diesen kann man auch den Führer bestellen: themountainshopadventures@gmail.com

Weitere Infos findest du auch auf der Facebook Seite des The Mountain Shops Adventures oder auf Mountain Project.

Longtailboat

Diese Urlaube dort sind immer etwas ganz besonders. Obwohl das Tropenklettern ziemlich anstrengend ist, ist es trotzdem besonders erholsam. Jedenfalls ist man danach immer mental bestens geläutert und der Körper ist entschlackt – wie nach ein paar Saunagängen halt.

Alles Liebe Nadia

[Copyright © Nadia Sbilordo]

1 Antwort »

  1. Liebe Nadia!
    Danke für den tollen Bericht – sind durch dich im Paradise Koh Yao noi gelandet und haben einige Kletterrouten absolviert – perfekte Tage mit super Ambiente! Weiter so mit deinen Berichten!!! Danke und liebe Grüße Danuela

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    • Hi. Das freut mich. Ich wünsch dir eine gute Zeit dort. Ich war gerade jetzt im November 2019 wieder mal dort. Es war toll. Die Grateful Wall ist leider immer noch gesperrt. Anscheinend sind dort kürzlich Kletterer vertrieben worden. Beim vorbeifahren mit dem Boat haben ich gesehen, dass dort eine Tafel angebracht wurde, was dort draufsteht, weiss ich allerdings nicht. Der Zustieg zu den Klettergebieten geht nicht mehr via Resort, dieses wurde erweitert. Ausserhalb des hinteren Tors, unterhalb der Bee Wall geht ein neuer Weg hoch. LG

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