Suppe mit Entwicklungs-Potenzial
Die Pho hat sich in den letzten hundert Jahren laufend gewandelt und regt an weitere eigene Variationen zu kreieren.
Diese Suppe ist schnell gegessen, aber nicht schnell zubereitet. Um eine gute Pho herzustellen, braucht es sehr viel Zeit.
Die Pho Bo ist meine Lieblingssuppe. Sie ist leicht bekömmlich, aber trotzdem nahrhaft. Diese Brühe gibt Kraft und vitalisiert mit ihren exotischen Aromen die Sinne.
Dies hat mich veranlasst mich über die Suppe einmal schlau zu machen.
Auf meinen unzähligen USA-Reisen ist mir aufgefallen, dass die Pho in einigen Gegenden fast allgegenwärtig ist. Bald findet man an jeder Ecke ein Pho-Restaurant oder eine Pho-Imbiss-Stube. Das hat wahrscheinlich etwas mit dem Vietnamkrieg zu tun und dass Kriege häufig Migrationsströme zwischen den beteiligten Länder auslösen. Die Beliebtheit kann ich mir aber auch erklären, weil Amerikaner eher die Schnellesser sind und die Pho ein ideales Fast-Food-Gericht ist. Die Pho ist gesund und leicht. Sie passt daher perfekt in den Speiseplan, der gesundheitsbewussten Amerikaner und von denen gibt es einige.
Aber auch in den Gassen deutscher Städte streicht mir immer öfter der Duft von Rinderbrühe, Thaibasilikum, Zimt und Sternanis in die Nase. Leider ist sie in der Schweiz noch nicht so trendy, obwohl die Pho auch sehr gut zum Essverhalten der mehrheitlich gesundheit- und linienbewussten, sowie an Zeitmangel gebeutelten Schweizern und Schweizerinnen passen würde.
Aber was ist eigentlich eine Pho? Von wo kommt sie genau? Wie stellt man sie her? Auf diese Fragen werde ich nun etwas genauer eingehen:
Pho ist Street-Food
Die genaue Herkunft und Entstehung der rund 100-jährigen Reisnudelsuppe ist nicht genau bewiesen, aber vieles deutet auf die Gegend von Hanoi hin und darauf, dass die Brühe von den Franzosen inspiriert wurde. Die Pho hat sich infolge von Kriegen, Immigration und Emigration enorm gewandelt und sie entwickelt sich laufend weiter – mit jedem kreativen Koch.
In Vietnam werden fast alle Nahrungsmittel auf dem Markt koch- und verzehrfertig angeboten, weil viele zu Hause nur wenig Platz zum Kochen haben.
Asiatische Nudelsuppe ist nicht gleich Pho
Obwohl es heutzutage auf der Welt x verschiedene Variationen gibt und das Gericht viel Spielraum für Kreativität zulässt, muss man beachten, dass nicht jede asiatische Nudelsuppe eine Pho ist. Streng genommen ist keine Pho eine Nudelsuppe, die nicht entweder auf Rinder- oder Hühnerbrühe beruht. Außer es handelt sich um eine vegetarische Variante. Diese werden gewöhnlich in buddhistischen Klöstern und Tempeln serviert. Unter Puristen gilt die nordvietnamesische Variante, die Pho Bo, also diejenige auf der Basis von Rinderbrühe, als die einzig echte Pho.
Wer hat sie erfunden?
Ist die Pho eine original vietnamesische Kreation oder wurde sie von ausländischen Einflüssen inspiriert? Ich habe herausgefunden, dass niemand außer dem siebzig Jahre alten Präsidenten des UNESCO-Gastronomie-Clubs in Hanoi, Nguyen Dinh Rao, es genau zu wissen scheint. Er jedoch sagte in einer Rede (s. Anhang) mit vollster Überzeugung, dass der Geburtsplatz der Pho Nam Dinh sei.
Nam Dinh liegt 85 km südöstlich von Hanoi. Die Stadt war um die Wende des 20. Jahrhunderts aufstrebend in der Textilindustrie. Die dort ansässige vietnamesische wie auch französische Bevölkerung liebte es ein wenig Extravaganz zu zelebrieren und so mischten die Menschen lokale Zutaten mit Ausländischem, wie Andrea Nguyen in ihrem Artikel „History of Pho Noodle Soup“ (s. Anhang) schrieb.
Entstand Pho aus Pot-au-feu?
Die Pho ist eine warme, vitaminreiche und aromatische Hauptmahlzeit, die zwar schnell gegessen, aber nicht schnell zubereitet werden kann. Sie entstand nach der Besatzung Vietnams durch Frankreich. Der Name Pho leitet sich wahrscheinlich ab von dem französischen Wort „feu“. Es sind klare Parallelen auszumachen zum nordfranzösischen Siedfleisch-Eintopfgericht „Pot-au-feu“ (was Topf auf dem Feuer bedeutet).
Grundlage beider Gerichte ist die Rinderbrühe, die stundenlang simmernd aus Rindfleisch, Knochen, Zwiebeln und Gewürzen ausgekocht wird. Eine weitere Parallele sieht Didier Corlou, Chefkoch des Sofitel Métropol Hotel in Hanoi, dass bei beiden die gleiche Methode zur Anwendung kommt. Es werden zuerst die Zwiebeln geröstet bevor sie in die Suppe kommen, was sonst in der vietnamesischen Küche nicht üblich sei. Vor der Besetzung Frankreichs pflegten die Vietnamesen ihre Rinder nicht zu essen, denn diese dienten als Nutztiere auf den Feldern, was als ein weiteres Indiz für einen französischen Einfluss verstanden werden kann.
Also die Vietnamesen wurden demnach von den französischen Kolonialherren und –damen inspiriert und dann von den flüchtenden Vietnamesen in die ganze Welt hinausgetragen, wo sie wiederum Köche anderer Nationen zu Variationen anregten.
So wird’s gemacht
Vietnamesen verstehen Kochen als hohe Kunst. Die Rinderbrühe der Vietnamesen ist in ihrer Herstellung verfeinert. Wir im Westen geben die Knochen nach dem kurzen Abspülen in einen Kochtopf mit kaltem Wasser und köcheln sie mit den andern Zutaten in etwa zwei bis drei Stunden aus. Die Vietnamesen hingegen legen die Knochen über Nacht in kaltem Wasser ein. Dieses wird danach weggegossen. Dann werden die Knochen erneut in eine Pfanne mit kaltem Wasser gelegt und aufgekocht, welches wiederum weggeschüttet wird. Dieses Prozedere wiederholt man ungefähr dreimal oder solange bis die Knochen vollständig von Blut und Verunreinigungen gesäubert sind. Erst dann wird die Brühe während ungefähr fünf bis acht Stunden gesimmert. Diese Technik ergibt, laut Bobby Chinn, Koch und Restaurantbesitzer in Hanoi, Ho-Chi-Minh-Stadt und London (s. Anhang), das bessere Resultat in puncto Klarheit der Bouillon und des Geschmacks.
Die Reisnudelsuppe überdauerte Tod und Leid
Im zweiten Weltkrieg haben Flüchtlinge aus dem Norden die Pho in den Süden gebracht, wo das Nahrungsmittelangebot viel reichhaltiger ist als im kühleren Norden. So sind viele neue Gewürze und Gemüsesorten wie beispielsweise Mungo-Bohnen und sogar Meeresfrüchte dazugekommen.
1975, nach dem Fall Saigons, emigrierten sehr viele Vietnamesen in die ganze Welt und haben dort ihre Zutaten und Zubereitungsarten immer weiterentwickelt und den vorhandenen Angeboten angepasst.
Auf die Brühe kommt es an
In der modernen Pho-Gastronomie werden oft extra Zutaten auf einem separaten Teller serviert, damit der Gast sich seine Suppe selbst zusammenstellen und würzen kann. Das ist eine Eigenart, die man in Vietnam noch eher selten findet. Die Pho entwickelt sich also laufend weiter. Solange sich die Köche bei der Basis, also der Brühe, entlang traditioneller Grundsätze orientieren, lässt sie noch viel Raum für Entwicklung. Das freut zwar nicht die Traditionalisten, dafür aber die Liebhaber kreativer Küche wie zum Beispiel mich.
Vielleicht habt ihr trotzt hohem Arbeits- und Zeitaufwand mal Lust eine Pho zu köcheln und vielleicht eine neue moderne Variante zu kreieren. Aber denkt daran: Auf die Brühe kommt es an, die hat Tradition!
Gutes Gelingen Nadia
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Anhang
- Nguyen, Andrea: „History of Pho Noodle Soup“, Online-Artikel vom 31. Oktober 2008 auf Andrea Nguyen’s Webseite: Viet World Kitchen
- Corlou, Didier: “The Origin of Pho Noodle Soup”, Broschüre. Herausgegeben von Didier Corlou und der Europäischen Kommission in Vietnam, 2003
- Nguyen, Dinh Rao: „Pho – Vietnam‘s Heritage”, Rede im Büro der Delegation der Europäischen Kommission in Hanoi vom 29. November 2002
- Chinn, Bobby: Bobby Chinn’s Vietnamese Food. Conran Octopus Limited, London 2007
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