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Der Wandel eines Stadtviertels vom Rost zum Design
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Modeateliers, Kulturräume und Innovationzentren neben Bocciabahnen, Espressobars und Arbeiterkneipen
Das mailändische Stadtviertel Tortona-Solari ist nicht glanzvoll und schon gar nicht im Winter, wenn der feuchtkalte Nebel tief in die Gassen und unter die dicken Mäntel kriecht. Erst nach Einbruch der Dunkelheit glitzern spärlich ein paar Lichter. Ein Tourist, der hier nur schnell vorbeigeht, wird nicht viel Prächtiges entdecken. Zwar wird in Tortona-Solaris viel Wundervolles erschaffen, die Schönheit dieses Viertels ist jedoch nicht offensichtlich und erst, wenn man ein bisschen weiss, was sich hinter diesen Mauern verbirgt, wird es interessant.
Gucci und Cappucci
Der Prunk und Protz Mailands findet man um den Mailänder Dom, wo die feinen Damen und Herren gerne bummeln. Vieles, das dort im Zentrum Mailands feilgeboten wird, entsteht aber zwischen der Via Andrea Solari und der Via Tortona oder zumindest die Ideen dazu. Man kann es kaum glauben, dass hinter den Fabrikmauern, die dem Viertel Zona Tortona etwas Trostloses verleihen, die Hauptquartiere namhafter Mode-Labels wie Armani, Diesel, Ermenegildo Zegna, Moncler, Stone Island, Allegri, Fendi oder der Gucci-Group stecken.
Hart arbeiten
Tortona-Solari war einst ein reines Industrie- und Arbeiterviertel bis es nach der Energiekrise Ende der 60er Jahre in die Fänge von Obdachlosen und Drogenbanden geriet. Die Gebäude des Viertels bestehen aus Fabrikanlagen der einstigen Schwerindustrie, die für den Weltmarkt produzierte und den schmucklosen Wohnhäusern, die für die Arbeiter und Arbeiterinnen errichtet wurden. Erst in den Achtzigern nahmen Künstlerinnen und Designer Einzug und hauchten den ungenutzten Fabrikhallen neue Energie ein. Heute wird in ihnen wieder hart gearbeitet. Statt Arbeiter und Arbeiterinnen an Maschinen sind heute Designerinnen, Fotografen, Zeichnerinnen, Kuratoren, Eventmanagerinnen, Performer, Modejournalistinnen und Laufstegmodels am Werke.
Dieser Beitrag ist übrigens nicht gesponsert.
Superstudio
Das Superstudio 13 war der eigentliche Startschuss des heutigen Fashion- und Design-Distrikts. Es wurde 1983 von Giella Borioli, ehemalige Chefin der italienischen Vogue, ihrem Ehemann Flavio Lucchini und Fabrizio Ferri, beides Fotografen, eröffnet. Das Superstudio 13, das früher eine Fahrradfabrik war, beinhaltet dreizehn Fotostudios, die gemietet werden können. Im Januar 2000 kam das Superstudiopiù dazu, eine multifunktionelle Location, in den ehemaligen Hallen von General Electric. Auf 20’000m2 sind interdisziplinäre Begegnungen von Design, Mode, Kunst, Kultur, Kommunikation und Tanz möglich.
Armani Silos
2001 verlagerte Giorgio Armani sein Hauptquartier in die Zona Tortona. In den ehemaligen Hallen der Nestlé-Schokoladen-Fabrik wurde im Mai 2015 das Armani Museum eröffnet, in welchem das 40jährige Schaffen des Designers auf mehreren Stockwerkten ausgestellt wird.
Ich mochte besonders die geraden, schlichten, schnörkel-, maschen-, schnallen- und knopflosen Stücke.
Armanis Roben sind nicht simple gemacht. Es wurden sehr aufwendige Techniken angewendet. Armanis Erfolg ist wohl nicht nur eine Folge von grosser Kreativität und Talent, sondern auch eine von harter ausdauernder Arbeit.
Sich das Armani Silos anzusehen, kann ich sehr empfehlen. Ich finde das Museum ist gut gemacht. Auch die Architektur im Innern hat mir sehr gefallen.
Showrooms
In Tortona-Solaris gibt es an jeder Ecke Showrooms, wo wohl die Einkäufer dieser Welt die neusten Designs auslesen und die Fashion- und Lifestyle-Journalistinnen die neusten Trends erkunden können.
So genau weiss ich es aber ehrlich gesagt nicht, weil diese Showrooms sind offensichtlich nicht für die Normalo-Konsumentinnen frei zugänglich, denn sie verstecken die Stücke geheimnisvoll hinter verschlossenen Türen oder getönten Fensterscheiben.
casa di ringhiera
Bei meinen ausgedehnten Spaziergängen mochte ich am liebsten die Hinterhöfe des Stadtviertels zu erkunden. Die Häuser mit Innenhöfe und Aussentreppen sind typisch für Mailand.
Sie beherbergen nicht selten kleine Ateliers, Werkplätze, Restaurants, Bars und Läden wie beispielsweise das Orissa, das Möbel und Innendekos im Shabby Chic-, Kolonial-, und Ethnostil verkauft.
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BASE
Das BASE ist neu. Es sieht sich als Innovation-Zentrum.
Es will auf seiner riesigen Fläche von 6000m2 Innovation, Kunst, Kultur, Kreativität, Technologie und Wohlfahrt zusammenbringen.
Es gibt Eventhallen, Ausstellungsflächen, Workshop-Räume, eine Bar sowie ein Coworking.
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MUDEC Museo delle Culture
Das Museum der Kulturen von Mailand ist ein Zentrum für die interdisziplinäre Erforschung von Weltkulturen.
Bei meinem Besuch habe ich mir vor allem die Sonder-Ausstellung „Homo Sapiens“ angeschaut. Dort wurde die Entwicklung des Menschen von Beginn bis ein paar Tausend Jahre vor unserer Zeit dargestellt.
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Hotel Magna Pars Suites
In der Zona Tortona kann man auch sehr nett wohnen. Für die anspruchsvolle Jetsetterin bietet sich das wunderbare Hotel Magna Pars Suites Milano an. Das Magna Pars Suites ist ein Boutique Hotel aus der Reihe der Small Luxury Hotel of the World. Das Hotel Magna Pars Suites Milano ist eine umgebaute Parfümeriefabrik, das in einer ruhigen Seitenstrasse direkt gegenüber des Superstudio 13 liegt.
Das Hotel und seine Umgebung ist also mitten drin im Wirken von Tortona, ähnlich wie in dem von mir beschriebenen Gastwerk in Hamburg. Es gibt nicht nur in unmittelbarer Umgebung des Hotels, sondern auch im Magna Pars Suites drin zahlreiche Orte, wo man mit seinem Laptop und seinen Geschäftspartnern gut arbeiten kann.
Ich mochte es auch im Zimmer zu schreiben und zu recherchieren, wo ich von meiner Couch einen schönen Blick zu den bocciaspielenden Herren hatte, von deren Spiel ich mich gern von der Arbeit ablenken lies.
Ausserdem hat das Magna Pars Suites ein Aromen-Labor, wo man und frau seine eigene Duftkerze oder ein Raumparfüm nach seinem Geschmack kreieren kann.
Wo hart gearbeitet wird, ist der Hunger gross
In der Zona Tortona gibt es unzählige Restaurants, Bars und Imbiss-Theken.
DA NOI IN
Das Magna Pars Suites beherbergt auch ein ausgezeichnetes Restaurant, wo italienisches Fine Dining gezaubert wird. Das Überraschungsmenu, ein tolles kulinarisches Erlebnis, unterstützt mit exzellentem Service und gelungener Weinempfehlung haben wir sehr genossen.
La Traditionale
Dieses Restaurant ist sehr gross und es war daher kein Problem mit einer Gruppe von neun Leuten spontan aufzufahren und einen Tisch zu bekommen. Wir waren zweimal in diesem Restaurant. Der Fisch und die Gnocchi, die ich dort verspiesen habe, waren sehr lecker.
Boccino
Das Bocchino an der Via Tortona 21 ist auch ein eher traditionelles Restaurant. Das Essen war gut und der Chef ein ausgesprochen freundlicher Gastgeber. Vorsicht, der Insalata Mista ist riesig.
Morna
Gleich daneben, also zwischen dem Boccino und der Bocciaanlage, gibt es diese süsse Bar, welcher man unbedingt einen Besuch abstatten sollte.
In der Zona Tortona gibt es noch unzählige weitere Restaurant, die vielversprechend aussehen, die ich aber leider nicht mehr ausprobieren konnte. Im trendigen God Save the Food habe ich mir nur mal zur Mittagszeit ein kleines veganes Vollkorn-Sandwich geholt, das war gut, aber hat € 9 gekostet.
Navigli Grande
Noch mehr Kulinarisches findet man in dem zu Fuss nur 15 Minuten entfernten angrenzenden Stadtviertel Navigli Grande. Entlang dieses Kanals säumen sich viele kleine Geschäfte, Bars und Restaurants.
Ich war im Wein-Restaurant Vetusta Insigna auf der rechten Uferseite (stadtauswärts gesehen) des Naviglio Grande, wo ich eine feine Lasagne und leckeren Apfelkuchen gegessen habe. Das Restaurant ist ganz winzig und mit seinen alten Holztischchen, Backsteinwänden und den Weinregalen wahnsinnig gemütlich.
Andere Foodquellen
Ich mag nicht dreimal am Tag im Restaurant essen, daher picknicke ich mittags oft. Dazu kann ich in der Tortona-Solaris Milano folgendes empfehlen: das Panificio und Pastaceria Pan per Focaccia in der Via Tortona 17, der Bioladen Bio c’Bon an der Via Savona 61 oder ein Sandwich und Espresso in der Bar Sudan an der Ecke Via Tortona/Via Bergognone gegenüber des BASE, welche bei den Einheimischen ein beliebter Treffpunkt zu sein scheint.
Habe ich das schon mal erwähnt?
Ich liebe es im Ausland in ganz normalen Supermärkten herumzustöbern und in die Einkaufskörbe der Ansässigen zu schielen. In der Zona Tortona findet man viel lecker Italienisches auf zwei Stockwerken im Supermarkt Esselunga an der Piazza del Rosario.
Was hat mir dieses Viertel wieder mal aufgezeigt?
Wir können die Entwicklungen auf dieser Welt nicht anhalten und schon gar nicht zurückdrehen. Der Mensch und seine Fähigkeiten, Interessen, Bedürfnisse verändert sich laufend. Nichts hat Bestand, alles ändert sich ständig – in jeder Sekunde.
Die Zona Tortona hat mich wirklich sehr inspiriert und ich würde gerne wieder mal hingehen, aber bitte nicht mehr im Winter.
Danke fürs Lesen, Liken, Teilen und Kommentieren
Nadia