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Madikwe Game Reserve, Südafrika

Wild auf den Hund kommen

Sunset

Der Strahl von Lebos Lampe schneidet wie ein Jedi-Schwert durch die Dunkelheit. Im Scheinwerferlicht leuchten ein paar weisse Striche. Es sind die Streifen eines Zebras, das am Rand der Schotterstrasse grast. Im nächsten Moment sehe ich im Lichtkegel einen Elefanten, nur für eine Sekunde, dann ein Gnu, ein Hase hier und ein paar Springböcke dort. Ich reibe mir die Augen. Schlafe ich noch? Eine Brise streift über mein Gesicht wie ein kühler Seidenschal. Ich ziehe meine Kapuze und die weiche Decke wieder zurecht. Erst vor einer halben Stunde hat mich um 4:45 Uhr mein Wecker aus dem Tiefschlaf gerissen. Ich träumte gerade von einer rasanten Fahrt kreuz und quer durch den afrikanischen Busch. Wir folgten einem Rudel Wildhunde auf der Jagd nach Impalas. Die Hunde spürten wir entlang der Flugpiste auf, wo wir gestern mit einer Cessna von Johannisburg mitten in den Busch geflogen sind. Meine Augendeckel sind schwer, ich tauche ab und träume von einem Kudubock. Mit seiner schönen Gesichtsbemalung mustert er mich neugierig. Dann wirft es mich auf meinem Sessel seitwärts. Ich reisse die Augen auf. Marc, unser Safari-Guide hat scharf gegen Osten abgebogen. Ein neuer Tag grüsst am Horizont orangen.

Kudu

Nach und nach wird es heller. Lebo, unser Fährtenfinder pack seine Lampe zusammen und reicht sie Marc nach hinten in den Wagen. Ich bin froh, dass ich nicht auf Lebos Sitz vorne am Wagen hocken muss. Mit der aufgehenden Sonne wird es nämlich nicht wärmer. Im Gegenteil, die Kälte kriecht jetzt unaufhaltsam unter meine Decke und lässt mich erstarren. Das geht etwa eine Stunde so. Dann erst wärmt sich der Busch auf und man muss sich Schicht um Schicht den Decken und Jacken entledigen.

Tracker

Madikwe Game Reserve

Das malariafreie Madikwe Game Reserve befindet sich fünf Autostunden oder eine Flugstunde nordöstlich von Johannisburg direkt an der botswanischen Grenze. Es ist mit seinen 75 000 Hektaren der fünftgrösste Safari-Park Südafrikas. Das entspricht ungefähr der Grösse der Baleareninsel Menorca.

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Durch das Zusammentreffen verschiedener Vegetationsarten wie trockener Kalahari, offener Savanne und dicht bewachsenem Buschveld hat man dort eine abwechslungsreiche Landschaft. Madikwe wird ausserdem von der felsigen Bergkette Rant van Tweedepoort durchzogen und von den Dwarsbergen begrenzt.

Flugbild

Das Wildschutzgebiet beherbergt die Magnificent 7, das sind die Big 5 (Elefanten, Löwen, Wasserbüffel, Leoparden und Nashörner) plus Wildhunde und Geparden. Das Besondere an Madikwe sind die zwei Rudel Wildhunde. Sie sind sonst eher selten. Der Park hat den Afrikanischen Wildhund, African wild dog oder painted wolf (bemalter Wolf) daher in ihrem Logo. Aber im Madikwe Game Reserve findet man auch Flusspferde, diverse Antilopen und viele weitere Tiere.

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An diesem Morgen fahren wir in die etwas weiter entfernte Savanne, um nach den Geparden Ausschau zu halten, finden sie aber an diesem Tag nicht. Safari ist nicht wie in den Zoo gehen, man findet nicht immer, was man sucht, entdeckt dafür oft Überraschendes. Verliert sich eine Fährte im Busch, macht man am besten mal ne Pause an einer übersichtlichen Stelle und geniesst den mitgebrachten Kaffee und die frischgebackenen Muffins.

Safariwagen

Arbeitsplätze und Naturschutz

Das Personal des Parks mit seinen Lodges beschäftigt vor allem Männer und Frauen aus der Umgebung. Das Land des heutigen Wildschutzgebietes war früher heruntergewirtschaftetes Farmland. Die Böden wurden wegen ungenügender Nährstoffe mit den Jahren unbrauchbar. Die Bevölkerung war dem entsprechend arm.

In den 1990er wurde eine Kommission ins Leben gerufen, die zum Schluss kam, dass die Eröffnung eines Wildparks der Gemeinschaft am meisten dienlich sein würde. Alte Zäune wurden abgebaut sowie verwahrloste alte Gebäude renoviert und zu Parkbüros umgebaut. Es wurden 150 Kilometer Elektrozaun um den Park gelegt, um den Ausbruch wilder Tiere zu verhindern und die lokale Bevölkerung ausserhalb des Parks zu schützen. Der Zaun schützt auch die Tiere vor Wilderer, was in Afrika ein grosses Problem ist.

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Das Madikwe Game Reserve bietet nicht nur viele Arbeitsplätze für die lokale Bevölkerung. Es wird auch aktiv in die Aus- und Weiterbildung der Erwachsenen und Kinder investiert. Madikwe gilt weltweit als Vorzeigeprojekt, wo lokale Gemeinschaft und Naturschutz zusammengebracht wurde.

Auf den Hund gekommen

Der eingangs geschilderte Wildhundetraum war in Wahrheit keiner, sondern real. Wir hatten Glück, gleich bei unserem ersten Abend-Game-Drive spürten wir eines der Rudel auf. Beim High-Tea, der vor der Abendfahrt mit etwas Gebäck serviert wird, erfuhren wir von Marc unserem Safariführer, dass wir heute etwas Besonderes vorhaben, aber er verriet uns nicht was. Über Funk besprachen die verschiedenen Ranger die mögliche Position der Tiere. Dazu verwenden sie Geheimcodes, damit die Gäste nicht wissen, welches Tier gesucht wird. Auf diese Weise soll die Neugier der Besucher etwas auf die Folter gespannt werden. Der erfahrene Safari-Gast erkennt aber anhand der Spuren nach was die Fährte aufgenommen wurde.

Sabberhund.jpg

Bald entdeckten wir die ersten Hunde. Es war sehr aufregend, denn wir wurden Zeugen eines Raubzugs. Das Rudel versuchte eine Herde Impalas einzukreisen. Sie jagten diese quer durch den Busch und wir waren mit unseren Geländewagen mit dabei und mittendrin. Leider waren sie erfolglos. Anschliessend sind wir noch etwas geblieben und beobachteten wie sich die völlig auf den Hund gekommen Tiere von dem missratenen Jagdversuch erholten. Sie lagen herum. Sie geiferten. Wildhunde sabbern unglaublich viel. Ausserdem pinkeln diese sogar im Liegen, während andere das Gepinkelte aufschlecken. Afrikanische Wildhunde haben augenscheinlich einen sehr engen sozialen Zusammenhalt. Sie sind zwar sehr schön gemusterte Tiere, aber wirklich recht gruslige Gesellen und sie stinken entsprechend.

Elefanten

Madikwe Hills Game Lodge

Es gibt in Madikwe verschiedene Lodges und Bush Camps. Wir waren in der Madikwe Hills Game Lodge .  Sie gilt als eine der besten Lodges Südafrikas. Die Madikwe Hills Game Lodge beherbergt maximal 24 Gäste. Die Gästezimmer sind grosse an einen Hang gebaute Bungalows. Jedes Gästehaus ist alleinstehend und bietet vollkommene Privatsphäre und zwar auch auf der Terrasse.

Nach der Morgenpirsch ist man hundemüde und will nur noch schlafen. Ausserdem zwingt einem die Hitze in die Knie. Ende Februar, also wenn Sommer ist in Madikwe, klettert das Thermometer bis auf 37°C. Also liegen alle tagsüber einfach herum. Auch den Klippschleifern, die es sich jeden Nachmittag im Schatten auf unserer Terrasse gemütlich gemacht haben, war nicht nach Aktivität zu Mute. Nur gelegentlich nahmen sie ein Bad in unserem Whirlpool. Auch unten am Wasserloch, das man von den Terrassen sehen kann, ist nicht viel los. Die Wildnis scheint zu ruhen. Nur eine Warzenschwein-Mama kommt mit ihren Kleinen mehrmals zum Trinken, verschwindet dann aber schnell wieder im schützenden Dickicht. Weiter drüben unter einer Gruppe von Bäumen entspannt sich eine Herde Gnus. Dann kommen mal  Springböcke, mal Zebras, mal Elefanten, mal Giraffen und Schakale zum Trinken vorbei.

SchakalSpringbockGnus

Tierschutz

Was die Tiere betriff, wird darauf geachtet, dass das Verhältnis möglichst ausgewogenen ist, es zum Beispiel nicht zu viele Raubkatzen hat. Im Moment haben sie in Madikwe das Problem, dass sie zu viele Elefanten haben. Elefanten essen Unmengen an Pflanzen und brauchen sehr viel Wasser.

Die Nashörner in Madikwe haben noch ihre Hörner, nicht wie anderswo. In anderen Safari-Parks sägen sie diese ab, um die Tiere vor skrupellosen Wilderern zu schützen, weil sie mit diesen Hörner sehr viel Geld verdienen. Leider hält es die Wilderer nicht davon ab auch hornlose Nashörner abzuschlachten, um ihnen noch den Stumpf abzusägen, welchen die Wildhüter natürlich dranlassen müssen. In Afrika werden jedes Jahr unglaublich viele Nashörner getötet. 2018 waren es 769. Immerhin 446 weniger als 2014. Eine der NGO’s die versucht Rhinos zu schützen, ist die Peace Parks Foundation.

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Mähne hoch

Um fünf Uhr abends geht es dann mit Kameras bewaffnet wieder auf die Pirsch. Ich habe nur meine Kompakt-Kamera (Nikon Coolpix A900) mit dabei. Das schiessen scharfer Tierbilder überlasse ich lieber andern. Marc unser Safariguide hat immer so ein riesiges Ding dabei. Seine tollen Bilder kann man auf Instagram unter marcgrove13 oder auf Facebook unter Marc Grové Wildlife Photography bewundern.

Löwen

Für diesen Abend ist der erneute Besuch einer Löwengruppe vorgesehen. Sie zu finden war leicht, weil ein anderer Ranger die Position durchgegeben hat. Wir stehen also da mit unserem Fahrzeug auf einer Distanz von etwa drei Metern und schauen den Löwen beim Aufwachen zu. Diese sind so unglaublich faul. Man bekommt fast Mitleid, wenn man zuschaut wie schwierig es für sie ist, sich aufzuraffen. Das Aufwachen und in Fahrt kommen ist ein langes Prozedere. Mal heben sie den Kopf, um gleich wieder in den nächsten Traum abzutauchen. Nach einiger Zeit stehen dann mal die Sprösslinge auf. Ihnen ist langweilig. Sie fangen an herumzutollen. Auch die Weibchen setzen sich jetzt hin. Widerwillig ertragen sie das Herumgezupfe ihrer Kleinen.

Lyon

Es vergeht wieder eine ganze Weile bis sich endlich so ein Tier mit Mähne erhebt. Man denkt, jetzt geht es endlich los. Sie machen dann aber nur ein paar Schritte und fallen wieder wie tot um. Es braucht viel Geduld bei den Löwen. Dann endlich ein nächster Versuch. Sie schaffen es tatsächlich sich hinzusetzen und fangen gleich an zu gähnen. Auf einer Distanz von nur ein paar Meter ihre beeindruckenden Zähne zu betrachten, ist ganz schön aufregend. Wenn sie gähnen, füllen Katzen ihre Hirne mit Sauerstoff. Bald darauf röhrt eines der Männchen, dann das andere, dann beide im Duett. Dieses Geräusch geht einem durch Mark und Bein. Das ist der Startschuss. Die Tiere stehen jetzt auf und trotten langsam der schon tief stehenden Sonne entgegen in den Busch.

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Untergehende Sonne im Herzen

Marc fährt wie jeden Abend zum Sonnenuntergang, dem sogenannten Sundowner, wie man ihn in Afrika nennt, zu einem übersichtlichen Plätzchen. Endlich lässt er uns aus dem Geländewagen rausklettern. Es tut gut etwas die Beine zu vertreten, aber weit dürfen wir nicht gehen, denn wer weiss, wer sich hinter den Büschen versteckt hält. Marc holt eine Kiste hervor mit Getränken und Knabberzeugs und Lebo einen kleinen Braii (Grill), auf welchem er Fleischspiesschen grilliert.

Der Sundowner ist das Highlight eines jeden afrikanischen Tages im Busch. Afrikanische Sonnenuntergänge sind ganz besonders schön. Und ist es dein letzter Abend in Afrika, ist es etwas Trauriges. Zwar bist du nach ein paar Tagen Safari etwas auf den Hund gekommen von dem ungewohnten Tagesablauf und von dem stundenlangen Ausschau halten. Aber trotzdem willst du nicht weg von hier. Und du fragst dich, wird es mir jemals wieder gegönnt sein nach Afrika zurückzukommen?

Giraffe

Nadia
[Copyright © Nadia Sbilordo]

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